Falk, Rita-Rezension - eBook

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Falk, Rita-Rezension

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Franz Eberhofer 1 Winterkartoffelknödel


Was für ein Leben könnte der Polizist Franz Eberhofer führen, wenn der Papa nicht die Beatles hören, die Oma nicht halbtaub den Sonderangeboten bei Deichmann nachjagen würde, wenn Bruder Leopold nicht die Rumänenschlampe Roxana am Hals hätte – ihres Zeichens die große Liebe und ein Busenwunder mit der Neigung, fremde Konten leer zu räumen – wenn es da nicht den Flötzinger, den Simmerl, den Schäferhund Gorbatschow gäbe?

Franz könnte jeden Abend neue Rekorde mit dem Ludwig aufstellen. Auch wenn er für eine Eins-siebzehn-Runde schon mal eins-fünfundzwanzig benötigt. Was weniger an dem Hund als am Herrchen liegt, der sich allzu leicht auf seinen Spaziergängen ablenken lässt. Nur leider bricht das Verbrechen selbst in die Idylle ein und überzieht »Niederkaltenkirchen« gleich mit einem Vierfachmord, der wie eine Anhäufung von Zufällen erscheint, so dass der Richter Moratschek nicht daran glauben mag.

Mit Rita Falks Erstling zieht der Ton Ludwig Thomas ins Genre des deutschen Kriminalromans ein. Er ist von bissigem Witz, ohne dem Zynismus zu verfallen, verzichtet auf jegliche Bloßstellung und findet eine ureigene Sprache, um von den Momenten am Rande zu erzählen, die das Leben ausmachen. Wer an ausgefeilten Plots, den perversen Abgründen der Psyche interessiert ist, ist bei Rita Falk falsch aufgehoben.

Bei dieser Autorin fühlt man sich schnell an die eigene verschrobene Familie erinnert, über deren Ticks man nie hat lachen können. Tolstois berühmter erster Satz aus Anna Karenina: »Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich.« wird hier ad absurdum geführt. Sieht so verschroben wie im Winterkartoffelknödel nicht das Glück aus? Wenn wir trotz allem über die Nackenschläge schmunzeln können?

Wenn der Polizist Franz Eberhofer auf den Plattenspieler des kiffenden Vaters schießt, weil er die Beatles nicht mehr hören kann, die Oma vor dem Obi Franz Wagen von innen verriegelt und darin einschläft, so dass der arme Franz anschließend Stunden um den Wagen schleicht, weil die Oma nicht wach zu bekommen ist, wenn einem Fußballspieler einfach nicht beizubringen ist, dass er nach der Halbzeitpause und vollzogenem Seitenwechsel, Eigentore erzielt, wenn er die Richtung nicht wechselt, sind das Schicksalsschläge, die das deutsche Wesen bewegen.

Dabei kann man beileibe nicht behaupten, dass Rita Falk zimperlich ist, wenn es darum geht, Menschen ins Jenseits zu befördern. Da fällt dem einen Opfer ein Container auf den Kopf, erleidet ein Familienoberhaupt ein tödlicher Stromschlag, wird eine Mutter im Wald gleich zwangsaufgehängt, stirbt eine Familie wie die Fliegen aus, weil ihre Mitglieder sich nacheinander weigern, ein Grundstück zu verkaufen. Wer dem bayrischen Wesen eines Karl Valentins zugeneigt ist, wird den leicht anarchischen Humor der Autorin als pure Unterhaltung empfinden.

Rita Falk beschreibt das Leben mit jener Nachsicht, die skurrile Charaktere erst interessant machen. Sie alle entspringen der heilen Welt der Nachbarschaft, in der jeder jeden kennt und Geheimnisse nur solange unter der Decke bleiben, wie sie nicht von allgemeinem Interesse sind. Nicht selten mündet eine solche Einstellung in dem Spruch: Wenn keiner mehr über dich spricht, bist du tot.

Auch Franz Eberhofer birgt ein Geheimnis. Nachdem er Parksünder in München mit der Waffe bedroht hat, weil er es nicht verkraftet hat , dass sein ehemaliger Partner Rudi Birkenberger glaubte, in seiner Anwesenheit via Selbstjustiz einen Sexualstraftäter kastrieren zu müssen, wird Eberhofer in die Provinz strafversetzt. Um den Verkehr zu regeln, um Schülern über die Straße zu helfen. Und ausgerechnet so einer kommt an, und will einen Vierfachmord aufklären. Was nicht ganz ohne die Hilfe seines ehemaligen Kollegen Birkenberger geht, der nach absolvierter Haft inzwischen Kaufhausdetektiv ist.

Man kann das Leben tragisch sehen. Man kann auch davon wie Rita Falk es tut, spitzbübisch, augenzwinkernd, erzählen und es als eine Ansammlung von Augenblicken betrachten, in denen man sich kneifen muss um nicht zu verzweifeln. Ein amüsanter »Provinzkrimi«, der zum Weiterlesen zwingt, auch wenn der Kriminalfall zu grob gestrickt erscheint.

Ein bissiges Vergnügen. Was selten im deutschen Krimiwesen ist.



Franz Eberhofer 2 Dampfnudelblues


Der Dampfnudel-Blues könnte auch »Die Albernheiten des Franz Eberhofer« heißen und ein Stück aus dem Komödiantenstadl sein. Sollten der Vorgänger Winterkartoffelknödel und das im Herbst drohende Schweinskopf al dente ähnlichen Kalibers sein, dann hat Autorin Rita Falk im Krimi-Genre nichts zu suchen und sollte schnellstens ihren Platz auf der Krimi-Couch räumen. Das würde den Rezensenten auch von der undankbaren Aufgabe entbinden, über diesen Schmarrn wohlfeile Worte zu finden. Aber wenn´s denn sein muss.

Ein Titel wie Dampfnudel-Blues sollte eigentlich als Warnhinweis ausreichen, dass mit einem ernstgemeinten Krimi nicht zu rechnen ist. Aber auch Krimi-Parodien haben durchaus ihren Reiz und können recht unterhaltsam sein. Erwartet und unerwartet ist der Dampfnudel-Blues weder das eine noch das andere, sondern seichte Unterhaltung (das Wort Literatur kommt mir nicht in die Tastatur) in bayrischer Mundart ohne Dialekt, so dass es auch nördlich des Weißwurstäquators verstanden werden kann, wenn es denn etwas zu verstehen gibt.

In Dampfnudel-Blues erzählt der Eberhofer Franz, der unglücklicherweise Polizist ist, aus seinem ereignislosen Leben, das zwischen Mahlzeit und Brotzeit, zwischen Bett und Büro pendelt und einen ekstatischen Höhepunkt beim Feierabendbier in der Dorfkneipe findet. Als hätte er nicht schon genug Stress am Hals, wird doch glatt der Rektor der Realschule umgebracht. Aber der war wirklich ein Garstiger. Wie das wohl in Niederbayern so üblich ist, kümmert sich nicht eine Mordkommission um den Fall, sondern der jeweilige Dorfpolizist, also der Franz. Der hat eh von Nichts eine Ahnung, deshalb versucht er es halt mit seinen beschränkten Mitteln, in steter Hoffnung, dass dem Täter sein schlechtes Gewissen so sehr drückt, dass er sich hoffentlich selber stellt. Ob der das tut oder nicht, wird natürlich nicht verraten. Wenden wir uns lieber der einzig spannenden Frage zu. Nein, nein, nicht was am Abend auf den Tisch kommt, sondern kriegt der Franz am Ende seine Susi, denn die hat Reißaus vor ihm genommen. (Wer könnte sie nicht verstehen).

Geschmäcker sind verschieden und darüber streiten kann man auch nicht. Die viel zitierten Binsenweisheiten treffen umso mehr auf den Humor zu. Wir möchten dem Kollegen Franßen, der den Winterkartoffelknödel" besprochen hat, gerne glauben, dass er dort bissigen Witz und leicht anarchischen Humor entdeckt habe, nur im Dampfnudel-Blues ist nichts davon zu lesen. Sollte die Autorin ihr humoristisches Feuerwerk schon im ersten Teil abgebrannt haben? Nichts davon, wenn man die vielen begeisterten Leserkommentare anderswo berücksichtigt. Es muss am Rezensenten liegen, der, wie man munkeln hört, auch fast alle deutschen Comedians zum Kotzen findet. Der wendet jetzt ein, das es hier auf der Krimi-Couch doch um Krimis geht und nicht um Quatsch-Comedy à la Ätzend Schröder. Platte Witzchen erzählen – gut und schön – aber bitte woanders.

Wenn ihm schon die Geschichte selbst kein Lächeln abringen konnte, so hat der Rezensent sich wenigstens über das angehängte Glossar und über Omas Rezepte köstlich amüsiert. Das 19-Wörter-Glossar verklärt u.a. so ur-bayrische Begriffe wie Kelly Family oder Schniedl in der romaneigenen Schlichtheit, dass man eigentlich wieder ein Glossar bräuchte. …aber lassen wir das. Durch Schlichtheit zeichnen sich auch Omas Rezepte aus, die ohne weiteres aus der Hand eines Gourmetkoches, wenn nicht gar aus Dr. Oetkers Kochbuch für Anfänger stammen könnten. Das ist ein Surplus, das jeden Euro mehr für das Softcover rechtfertigt.

Dampfnudel-Blues ist als großformatiges Softcover (Klappenbroschur) zu erwerben. Schon die äußere Gestaltung des Buches lässt auf ein folkloristisch heiteres Interieur schließen. Es verwundert nur ein bisschen, dass der Deutsche Taschenbuch-Verlag (dtv) dafür seine Premium-Serie desavouiert, die bisher auch für inhaltliche Qualität stand. Aber Akzeptanz und Verkaufszahlen geben dem Verlag im Nachhinein Recht. Was macht es schon, dass das Krimigenre mit solchen Machwerken weiter in Verruf gebracht wird. Profit ist heute. Und Dampfnudeln muss man essen, solange sie heiß sind – sonst bekommt man den Blues.

Frau Falks Speisekarte lässt einiges zu wünschen übrig. Das Angebotene ist selbst bei unterkühlten 5° kaum genießbar, deshalb sollten alle Krimi-Gourmets die Finger davon lassen.

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