Carter, Chris-Rezension - eBook

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Carter, Chris-Rezension

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Hunter 1 Der Kruzifix-Killer

Robert Hunter gehörte zu den Ermittler-Stars der Polizei von Los Angeles, bis im Vorjahr sein Partner und bester Freund Scott bei einem Bootsunglück starb. An einen Unfall mag Hunter indes nicht recht glauben. Stattdessen ahnt er die Ränken seines schlimmsten Feindes: Vor zwei Jahren trieb der Kruzifix-Killer im Raum Los Angeles sein Unwesen. Mit infernalischem Geschick pflegte er seine Opfer heftig und so lange wie möglich zu foltern. Auf den Leichen hinterließ er sein Markenzeichen: ein doppeltes, in die Haut geschnittenes Kreuz. Schließlich nahmen Hunter und Scott einen Mann fest, der die Bluttaten gestand, verurteilt und später hingerichtet wurde. Schon damals hielt Hunter Farloe für unschuldig.

Der Tod von Scott raubt Hunter den Nachtschlaf, treibt ihn zum Alkohol und beeinträchtigt seine Polizeiarbeit. Darauf hat der echte, immer noch freie Kruzifix-Killer gewartet. Er entführt die Edel-Prostituierte Jenny Farnborough, der er die Haut vom Gesicht zieht, bis sie endlich stirbt. Am Telefon verhöhnt er Hunter und kündigt weitere Morde an. Da der Killer den Kontakt zu Hunter sucht, übernehmen dieser und sein neuer Partner Carlos Carcia den Fall.

Schnell lässt der Killer einen weiteren grässlichen Mord folgen. Daran koppelt er ein infames Spiel: Bevor er tötet, stellt er Hunter eine Aufgabe. Ist dessen Lösung korrekt, bleibt das Opfer am Leben. Allerdings sorgt der Killer dafür, dass dieser Fall möglichst nicht eintritt, sondern Hunter allmählich in den Wahnsinn getrieben wird.

Der ist lange mit kriminologischer Betriebsblindheit geschlagen und außerdem durch eine neue Liebe abgelenkt. Erst in letzter Sekunde findet Hunter heraus, was die Opfer eint, was sich als heiße Spur zum Kruzifix-Killer herausstellt, der allerdings genau jetzt zum blutigen Finale bläst …

Nicht fabulieren, sondern konstruieren!

Sie sind partout nicht tot zu kriegen. An sich kann man mit ihnen leben bzw. sie sogar unterhaltsam finden. Sie dürfen nur nicht alle auf einmal über uns herfallen: Gemeint sind die Klischees des Killer-Thrillers, der mit Hannibal Lecter seinen eigentlichen Beginn nahm, hier seinen Höhepunkt erreichte und bereits sein Ende einläutete. Begabten Autoren gelang es später höchstens, diverse Elemente der Lecter-Mixtur zu verfeinern, zumal auch die psychologische Forschung auf dem Gebiet des Serienmordes voranschritt und auf diese Weise einige Neuansätze bot. Die Trittbrettfahrer des Genres begnügten sich damit, die Zahl der möglichst blutig zu Tode geschundenen Opfer zu steigern.

Chris Carter ist ein solcher Trittbrettfahrer. Der Kruzifix-Killer birst beinahe vor Action und Grauen und ist doch ein konventioneller und erschreckend langweiliger Roman. Nach eingehender Prüfung und selbst mit dem größten Wohlwollen kann dem Verfasser keine neue Idee nachgewiesen werden – wirklich keine einzige! Das darf man fast eine Leistung nennen; eine traurige Leistung allerdings.

Man könnte an dieser Stelle ausführlich die unverändert aufgegriffenen Elemente aus einschlägigen Filmen und Romanen auflisten, mit denen Carter sowohl die Handlung als auch die Figurenzeichnung bestreitet. Diese endlose und deprimierende Arbeit hat sich der Rezensent gespart; sie ist zudem überflüssig, weil sie einen Aspekt nicht berücksichtigt: Der Kruzifix-Killer soll gar kein ´guter´ Roman mit frischer Geschichte und lebensechten Figuren sein. Geplant, konzipiert und umgesetzt wurde dieser Thriller als Harpune, mit dem sich sein Verfasser im Bestseller-Speck der modernen Buch-Industrie verankern wollte. Dieser Schuss war ein Volltreffer, was Carter auf seiner Website u. a. mit Schnappschüssen besagter Bestseller-Listen dokumentiert, die das Werk auf vorderen Plätzen zeigen.

Retorten-Thriller des 21. Jahrhunderts

Stromlinie bzw. der Verzicht auf Ecken und Kanten heißt der Schlüssel zum Erfolg einer Geschichte, die so lange abgeschliffen wurde, bis sie den Lesern der ganzen Welt gefallen kann. Carter greift außerdem nur Elemente auf, die sich bewährt haben, weil sie nie gegen den Strich gebürstet werden und so möglicherweise irritieren oder verärgern, sondern ausschließlich funktionieren. Was an sich legitim sowie in der Unterhaltungsliteratur üblich ist, ärgert hier durch die besonders kalte und lieblose Realisierung. Carter bemüht sich niemals, sein Recycling zu verschleiern. Er setzt voll und ganz darauf, durch bekannte Muster und quasi auf Knopfdruck das Kino im Kopf einer primär durch Film und Fernsehen geschulten sowie sehr anspruchsarmen Leserschaft in Gang zu setzen.

Darüber hinaus ist Der Kruzifix-Killer ein Buch, das vor allem für Nachwuchs-Leser geschrieben wurde. Sie werden mit einem maßgeschneiderten Thriller bedient. Cop jagt Killer, das Tempo lässt nie nach, und zwischendurch wird es garantiert immer wieder herrlich eklig. Dass die Geschichte altbacken ist, ihre ´Auflösung´ durch eine willkürlich ins Geschehen geschnittene Nebenhandlung dreist verzögert und letztlich übers Knie gebrochen wird, die Figuren flach und die Effekte plump und billig sind, interessiert diese Klientel nicht, zumal sie die heiße Nadel (noch) nicht erkennt, mit der Carter sein fadenscheiniges Garn strickt.

»Se7en« + »Saw« = Der Kruzifix-Killer

Blut allein kann den abgebrühten Leser heute nicht mehr schockieren. Das gilt erst recht, wenn der optische Verstärker fehlt, den Film und Fernsehen bieten. Möglichst viele Körperflüssigkeiten müssen strömen und die Opfer dabei leben, zittern und schreien, damit sich der ersehnte Ekel-Effekt einstellt. »Torture Porn« nennt man dies im Kino; ein ungeliebter Ausdruck, weil er an Seelen-Saiten der Zuschauer rührt, die diese lieber nicht interpretiert wissen möchten.

Immerhin darf man Carter nicht den Vorwurf machen, die Lust am plakativen Grauen zu bemänteln. Er bricht die Realität auf oder gerade in diesem Umfeld bewusst aufs Triviale herunter. Während im wahren Leben der Serienkiller eine niemals charismatische Kreatur ist, wird der Kruzifix-Killer zum dämonischen Übermenschen stilisiert. Tatsächlich bleibt er ein eindimensionaler Buhmann ohne echte seelische Abgründe. Als es ins Finale geht, will Carter Tiefe nachliefern, doch da ist es längst zu spät. Der Killer ist und bleibt nur ein weiterer »Jigsaw«-Klon, der sein sadistisches Handeln mit pseudo-philosophischen Nonsens zu ´begründen´ versucht.

Da befindet er sich in perfekter Gesellschaft. Auch Robert »Nomen-est-Omen« Hunter ist kein Mensch, sondern nur Schablone. Taffer Cop mit psychischen Problemen: Banaler geht es wirklich nicht! Auch hier demonstriert Carter jedoch nicht nur glatte Routine, sondern investiert in die Zukunft: Der Kruzifix-Killer ist Auftakt einer (inzwischen fortgesetzten) Reihe von Hunter-Thrillern. Wie es erneut das Fernsehen perfekt vorgibt, zeichnet sich die typische Serienfigur durch wenige aber kennzeichnende Eigenschaften bzw. Eigenheiten aus, die nur sparsam verändert werden: Der Verzicht auf das Unerwartete sichert die Serienbindung. Der Fan liebt es, wie in einen alten Pantoffel in ´seine´ Figur/en zu schlüpfen. Carter hilft ihm gern dort hinein. Der weitere Erfolg des cleveren Verfassers darf deshalb als gesichert gelten.



Hunter 3 Der Knochenbrecher


Wenn es einen Preis für den unsinnigsten deutschen Titel gäbe, Der Knochenbrecher hätte die Chance auf eine Pole Position. Was beim riesigen Teilnehmerfeld schon einiges heißen will. Denn obwohl es in Chris Carters Roman nicht gerade zimperlich zugeht, liegt das hauptsächliche Augenmerk des vorgeführten Parade-Psychopathen nicht darin, explizit Knochen zu brechen. Ergibt sich halt so nebenbei. The Night Stalker, so der Originaltitel, trifft es ein wenig besser, aber auch nicht so wirklich, denn der perfide Serienkiller hinter dem der hyperintelligente, durchtrainierte, gutaussehende und überhaupt atemberaubende Robert Hunter, seinem Nachnamen entsprechend, herjagt, stalkt rund um die Uhr.

Der Knochenbrecher ist ein Serienkiller-Thriller von der Stange, der eine weitere bekloppte, äh, ausgefallene Idee zu Markte trägt, die offene Münder und wohliges Schauern provozieren soll. Ein kleiner Schneidermeister, der ein traumatisches Erlebnis in seiner Vergangenheit völlig falsch interpretiert, näht jungen Frauen nicht nur Mund und Vagina zu, sondern hinterlässt auch böse Fallen, mit denen sich die Opfer unwissend und zwangsläufig selbst umbringen. Wer jetzt SAW sagt ist ein ungehöriger Schelm, denn die tödlichen Selbstzerstörungsmechanismen sind inwendig angebracht, was natürlich ganz klar und weit weg vom mittlerweile siebenteiligen filmischen Konkurrenten weist. Wobei positiv anzumerken ist, dass Carter die unappetitliche Chose einigermaßen dezent in Szene setzt, und sich sogar den Luxus erlaubt, seinen Opfern Gesichter und zumindest rudimentäre, individuelle Biographien zu verleihen. Da sind andere Autoren weit ignoranter und/oder expliziter im Gebrauch von graphischen Splatter-Effekten. Letzteres kann man natürlich auch negativ auslegen: Denn warum eine hirnrissige Prämisse erschaffen, wenn man deren Folgen nicht exzessiv ausleuchtet? Warum nicht ein großes »wie ekelhaft« provozieren, statt ein kleines »igittigitt« hinter vorgehaltener Hand?

Ähnlich inkonsequent geht Carter mit seinem Helden des L.A.P.D. um. Darf er über mehr als 350 Seiten der unangefochtene, reaktionsschnelle, kluge Meister aller Klassen sein, verliert Robert Hunter im finalen Zweikampf die meisten seiner sensorischen und kampfkünstlerischen Fähigkeiten wie Samson seine Haare.

Doch keine Bange, Hilfe naht. Wer daran zweifelt und die vorherigen Sätze gar für Spoiler hält, glaubt vermutlich auch, dass der Weihnachtsmann alle Geschenke alleine verteilt. Im Vertrauen: Tut er nicht.

… sondern verschenkt sogar manchmal Sachen, die man sich gar nicht gewünscht hat. Das kann einem bei Chris Carter nicht passieren. Hier bekommt jeder, was er erwartet. Toughe Helden, kluge Helfer, undurchsichtige Nebenfiguren und einen Bösewicht, der so egal ist, dass ihm sein Autor fast jeden Namen hätte geben können, von jemand, der irgendwo am Rande auftaucht und sei es als Pizzaverkäufer.

Das ist auf schlichte Weise spannend, man wartet halt drauf, dass das Erwartete eintrifft und ist froh, wenn es passiert. Leider erliegt Carter allzu oft dem Faszinosum »Cliffhanger« und so endet jedes gefühlte zweite Kapitel mit einer Tür, die geöffnet wird und hinter der …

Was weiß denn ich, außer dass die brüchige Bindung das Taschenbuch schon beim Lesen auseinander fallen lässt. Was fast als Kommentar durchgeht.

»Nothing to write home about«, würde der Auslandsreisende sagen. Ohne große Langeweile gelesen, wenn auch nicht aus unbedingt beabsichtigten Gründen, ist Der Knochenbrecher nicht ganz so plakativ brutal wie Werbung und Klappentext erwarten lassen. Mehr aber auch nicht. Danach vergessen und entsorgt – zwischen Papierkorb und einem Zug, der nach Nirgendwo fährt.

Atomuhr - Kalender
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